Das Schneiderkreuz

Das SCHNEIDERKREUZ von Nieder-Erlenbach

soll nach einer Überlieferung daran erinnern, dass sich hier im Lachgewann von Nieder-Erlenbach, heute Stadtteil von Frankfurt/M., zwei Schneider im Streit erschlagen haben.

Es handelt sich um ein klassisches Sühnekreuz oder Mordkreuz, das am Wegesrand Richtung Kloppenheim keinen Kilometer von der Grenze zu Bad Vilbel entfernt steht und daher als Besonderheit hier Erwähnung findet.

Solche steinernen Flurkreuze wurden im Mittelalter zur Sühne für einen begangenen Mord oder Totschlag errichtet.  Es sind Sühnesteine in der Form eines Kreuzes, die meist an Wegen und Wegkreuzungen aufgestellt wurden, um Vorbeiziehende zum Gebet für einen Verstorbenen anzuhalten, der unvermittelt zu Tode kam, ohne dass er die Sterbesakramente hatte empfangen können. Wurde jemand im Streit oder absichtslos getötet, musste der Schuldige mit der Familie des Opfers einig werden. Zwischen den beteiligten Parteien wurden oft Sühneverträge abgeschlossen. Ab 1300 soll es üblich gewesen sein, am Tatort oder dort, wo es die Angehörigen wünschten, ein steinernes Sühnekreuz aufzustellen. Hintergrund war in vielen Fällen auch, die damals weit verbreitete Blutrache zu verhindern.
Auf einigen Steinkreuzen sind Waffen (Armbrust, Axt oder ähnliches) eingearbeitet, möglicherweise die Tatwaffen, was auch in diesem Fall denkbar ist, selten hingegen Namen oder Datierungen.

Inschrift: Abbildung einer Schneider- / Tuchschere
Datierung: unbekannt / um 15. Jahrhundert
Material: Graubasalt
(Nachbildung, das Original wurde um 1977 entwendet)

Die Schneiderschere
Zum Vergleich eine typische historische Tuchschere der Zeit:

Durch das Abschneiden der hervorstehenden Faserenden (dem Flor) wurde eine gleichmäßige Oberfläche erzeugt und das Textil zugleich veredelt.

Die Maße:

Standort: Frankfurt am Main – Nieder-Erlenbach,
Zum Schäferköppel, Richtung Petterweil (Flur: Lachgewann)
GPS: 50.212436, 8.713409


Weitere Schneiderkreuze / Schneidersteine:
Im Schneiderhandwerk war diese Form der Sühne offenbar nicht regional begrenzt, was durch Gesellen auf Wanderschaft nachvollziehbar wird. Es ist allerdings kaum bekannt, dass auch Gesellen anderer Handwerksberufe wie die der Schneider auf Wanderschaft gingen, da sich die Tradition der Wanderschaft bei den Zimmerleuten am besten und längsten erhalten hat.

Das Schneiderkreuz von Nienstädt
Auch in Nienstädt, Lkr. Schaumburg existiert ein Schneiderkreuz, in dem Fall als Schneiderstein mit Kreuz gearbeitet (Fotoausschnitt: Original um 1985)

Die Geschichte:
1450 traf Schneidergeselle Kurt Bössow auf der Wanderschaft seinen alten Freund Hinrich Wulf. Sie zechten, wobei Wulf bei Bössow eine beträchtliche Summe Geld sah. Als sie weiterzogen, machten Sie am Schnatwinkel Rast, wo Wulf den schlafenden Büssow mit dessen Schere angriff. Der konnte sich wehren, erstach dabei aber versehentlich seinen Freund Wulf. Wieder selbst genesen, bat er darum, von seinem Ersparten seinem Freund an der Stelle der Tat einen Denkstein zu setzen.

Nachbildung, da Original verschollen:
Standort: Nienstädt, Hannoversche Straße  (B 65)
GPS: 52.2973, 9.17549

Weitere Schneiderkreuze / – steine in Deutschland:

  • Colditzer Forst Lage (Sachsen), Schneiderkreuz
  • Aukrug (Schleswig-Holstein), Schneiderstein
  • Fürstenwalde (Erzgebirge), Schneiderkreuz von 1622
  • Treffurt (Thüringen), Schneiderkreuz (Lapidarium Normannsteinquelle)
  • Röhl (Rheinland-Pfalz), Schneiderkreuz
  • Galenberg (Rheinland-Pfalz), Schneiderkreuz von 1595

Eine Vielzahl an Sühnekreuzen – und darum handelt es sich auch bei dem Schneiderkreuz von Nieder-Erlenbach – findet man auf der anderen Mainseite im nahegelegenen Dreieich-Gebiet, ausführlich beschrieben vom Kollegen Dr. Wilhelm Ott: Sühnekreuze in Dreieich


Fotos dieser Seite, sofern nicht anders bezeichnet: P. W. Hübner

Quellen: Institut f. Stadtgeschichte Frankfurt ISG FFM Bestand S3 Nr. 18031-1

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